Applaus vom Tolerhanstonl

Beachtenswertes Doppel-CD-Album erschienen –
Stefan Gerlach singt Lieder von Anton Günther

Sie war überfällig, sie lag irgendwie in der Luft, man hatte sie sich gewünscht – und nun ist sie endlich da: die CD mit an die zwanzig Lieder vom Günther Anton. Besungen, arrangiert, bespielt, produziert und herausgegeben vom Gerlach-Stef (Stefan Gerlach) aus Zwönitz.

Aber was heißt „sie“? Gerlach verwöhnt uns gleich mit zwei Silberscheiben in einem liebevoll und ansehnlich gestalteten „Tolerhanstonl-Album“. Auf dem Titel zeigt es den komponierenden und singenden Erzgebirgs-Barden mit Klampfe unterm Arm in Antons Günthers Stammspielstätte – dem Oberwiesenthaler Grenzgasthof „Neues Haus“. Weitere Bildmotive aus der Erzgebirgsheimat, sehr ansprechend von Bodo Gerlach fotografiert, sind dem Album als kleine Broschur mit Titelverzeichnis beigelegt. Schade, dass hier nicht wenigstens eine Seite genutzt wurde, um den Liedermacher und Interpreten des gelungenen Querschnitts von Anton-Günther-Liedern seinen Hörern bekannt zu machen. Obwohl: Gerlach ist kein Unbekannter.

Erst kürzlich sah und hörte man ihn in der MDR-Erzgebirgssendung mit Marianne Martin. Und die beiden CDs, die er mit der Folk-Gruppe „Wind, Sand und Sterne“ (eine davon sogar in Nachauflage, siehe Rezensionen dazu unter www.windsandundsterne.de und hier bei mir) heraus brachte, gehören mit zum Besten, was ehrliche erzgebirgische Volksmusik heutzutage ausmacht. Hier wird nicht nur authentisch gespielt und mundartgetreu gesungen wie es unsere Altvordern einst hielten, hier wird auch Haltung interpretiert. Jene Haltung, die sich wohltuend absetzt von all den volkstümelnden Großverdienern und schenkelklopfenden Mitessern, die die echte Erzgebirgsfolklore für jeden noch so kleinen weiß-blauen Weißwurstzipfel verraten.

So wie auf diesen früheren CDs, bleibt sich Stefan Gerlach auch bei seiner neuesten Produktion treu. Treue eben zu einer unverfälschten, ehrlichen, volksverbundenen und ungekünstelten Interpretation der Lieder des Tolerhanstonl aus Gottesgab. Weder Anton Günter hatte eine schöne Stimme, noch ist die von Gerlach von Gesangslehren geschult worden – und das ist gut so. Denn diese Lieder vertragen keine hohe Gesangskunst. Hier geht es vielmehr um Inhalte, die von jedem mit normalen Stimmapparat nachgesungen werden können – leicht, leger, vergnügt, nuschelnd, aufmüpfig, rufend und sinnierend.

All das – und noch viel mehr – konzentriert sich in der Interpretation des Gerlach-Stef, wenn er den unterschiedlichsten Stimmungen der Lieder von Anton Günther nachsinniert. Ein Wort, mehr noch ein Seelenzustand, der dem Erzgebirger eigen ist und wahrscheinlich genau das ausdrückt, was sonst nicht auszudrücken möglich wäre. Gerlach sinniert den Liedern nach. Er interpretiert ihren Sinn, indem er in sie hinein hört und sie damit nach über hundert Jahren in einer mitunter sinnleeren Zeit, für uns sinnvoll werden lässt, uns über sie zur Besinnung kommen lässt. Man könnte diesen – vielleicht auch unbewusst stattfindenden – Prozess an nahezu all seinen Lied-Interpretationen nachweisen, besonders aber an solchen wie „Der Kuckuck“, „Hamweh“, „Der Wald is schlofen gange“, „Mei Grußmütterle“ und beim „Feierobnd-Lied“.

Und dass der Mann aus Zwönitz auch andere Töne drauf hat, zeigt er uns mit einigen Liedern vom Tolerhanstonl, die in ihrer unverwüstlichen Weise zum Mitklatschen, Tschunkeln und Mitsingen regelrecht einladen. Hier, wie auch bei den stilleren Liedern, bleibt die Gitarre Stef `s treue Begleiterin. Gelegentlich sorgt ein Zwischenspiel seiner Mundharmonika für die nötige Würze, ertönt eine Maultrommel. Solostücke Stefans wechseln mit angenehm zurückhaltenden Einsätzen seiner Musikerfreunde Christoph Rottloff, Holger Rockstroh, Klaus Uhlich, Thomas Baldauf, Dietmar Kempe und Michael Barth. Wie aus einer unwiederbringlich verlorenen Zeit klingt manch wundersame und schöne Melodiefloskel seiner Begleiter auf Konzertina, Akustikgitarre, Zither und Akkordeon herauf, ohne verstaubt zu wirken.

Es ist ein gelungener Wurf. Gerlach hat mit der Produktion und Herausgabe dieses Albums nicht nur einen unschätzbaren Beitrag zum Erhalt und zur Verbreitung des unverfälschten erzgebirgischen Volksliedes geleistet, sondern auch eine werkgerechte Interpretation eingespielt, von der selbst der Tolerhanstonl angetan gewesen wäre und wohl applaudiert hätte.

Jetzt kommt es nur noch darauf an, dass sich viele auch an der überregionalen Verbreitung dieses bewahrenswerten Volks-Eigentums (im besten Sinne des Wortes) beteiligen. Das Album sollte nicht nur an den Schulen im Musikunterricht Verwendung finden, sondern auch an allen Punkten, wo sich Touristen tummeln, zu haben sein, damit diese etwas mit nach Hause nehmen können, was als echtes Kulturgut aus dem Erzgebirge die Zeiten klingend überdauern wird…

Prof. Gotthard B. Schicker

Das Doppel-Album(mit einer Winter, - u. Weihnachtslieder-CD)
       ist zum Preis von 15,00 zu beziehen über: 
                 Stefan Gerlach, Neue Straße 11, 
                 D-08297 Zwönitz, Tel./Fax: 037754-75248, windsand@freenet.de
                 Aktuelle Infos zu Läden und Einkaufsstellen dieses Albums über www.windsandundsterne.de

Beitrag zur anderen CD der Gruppe: Alte Wurzeln, neue Triebe...